
Literatur mit Geist und Seele
Faust und Mephisto
Der Gespaltene: Johann Wolfgang von Goethe
von Stefan Meetschen
Fremd war ihm das Christliche nicht, im Gegenteil. Als Kind wuchs Johann Wolfgang von Goethe in einer streng lutherisch ausgerichteten Frankfurter Familie auf und ließ sich von der Bibel zu ersten Texten inspirieren. Allein der Glaube fehlte ihm oder zumindest die Fähigkeit, sich in eine gläubige Gemeinschaft längerfristig einzugliedern und Jesus nachhaltig als persönlichen Erlöser anzunehmen. Beides versuchte er: Etwa im pietistischen Kreis der Susanna von Klettenberg, bei welcher der kränklich aus Leipzig zurückgekehrte Student geistlichen Halt suchte, oder bei der „Gemeinschaft der Heiligen“ in Darmstadt, denen er sich eine Zeitlang verbunden fühlte; was immerhin zu einem erstaunlich schwärmerischen Briefzeugnis führte: „Mich hat der Heiland endlich erhascht, ich lief ihm zu lang und zu geschwind. Da kriegt er mich bey den Haaren (...) ich halte den Glauben an die göttliche Liebe, die unter dem Namen Jesus Christus eine kleine Zeit dahinzog, für den einzigen Grund meiner Seligkeit.“ Lange hielt die Begeisterung aber nicht an, wie die Goethe-Kennerin Ursula Homann in ihrem lesenswerten Aufsatz „Goethe und die Religion“ betont: „Denn auf die Dauer konnte die sektiererische Enge, die der Welt des Künstlers keinen Raum gab, einen Dichter wie Goethe, für den gerade das Schöne das Göttliche ausdrückte, nicht zufrieden stellen.“